Österreich gilt als reiches Land. Es gibt viele Menschen, die sich Luxusartikel oder außergewöhnliche Dienstleistungen leisten können. Gleichzeitig gibt es in den letzten Jahren immer mehr Menschen in Österreich, besonders Frauen, die nicht genug zu essen oder zum Anziehen haben, die ihre Wohnung nicht mehr heizen können oder gar kein eigenes Dach mehr über dem Kopf haben.
Ein wesentlicher Grund für diese Erscheinungen ist die zunehmende Finanzialisierung unserer Gesellschaft. Finanzialisierung beutet, dass gewisse Produkte und Dienstleistungen nur dann hergestellt oder zu einem bestimmen Preis angeboten werden, wenn sich damit ein sehr hoher Profit erwirtschaften lässt. In einem finanzialisierten Wirtschaftssektor spielt es also kaum mehr eine Rolle, ob die darin produzierten Güter und Dienstleistungen das Leben der breiten Bevölkerung sichern und von guter Qualität sind. Allein der Profit zählt. Lässt sich also mit ausgefallenen Luxusartikeln für eine kleine Bevölkerungsgruppe mehr Geld einnehmen als mit grundlegenden (Über-)Lebensmitteln für die Allgemeinheit, so fällt die Wahl der Produzenten/Anbieter auf ersteres.
Besonders problematisch zeigt sich diese Entwicklung anhand der zunehmenden Privatisierung von Wohnraum. In diesem Bereich bedeutet Finanzialisierung, dass Wohnungen immer mehr als Anlageform bzw. Spekulationsobjekte gesehen bzw. teilweise als eine Art Privatvorsorge genutzt werden. Diese Art des Anlegens und Vorsorgens ist jedoch einkommensstarken bzw. vermögenden Bevölkerungsteilen bzw. Immobilienfirmen vorbehalten. Einkommensschwächere Menschen werden verdrängt. Gleichzeitig zielen Immobilienprojekte immer mehr auf den Bau von Luxuswohnungen ab, die nur für einen kleinen Bevölkerungsteil erschwinglich sind, weil dies in Summe mehr Profite bzw. Kapitalerträge abwirft als viele günstige Wohnungen zu bauen bzw. in Stand zu halten. Es kommt mitunter zu paradoxen Szenarien, in denen es einerseits leerstehende (Luxus-)Wohnungen gibt, während es andererseits ungedeckte Bedarfe an leistbarem Wohnen gibt. Da Frauen nach wie vor weniger Einkommen haben als Männer, sind sie von diesen Verdrängungseffekten und der Wohnungsnot umso stärker betroffen.