Femizide

In den österreichischen Medien hören wir (leider) oft von Femiziden. Doch was ist damit eigentlich genau gemeint? Wo und wie können Frauen- und Mädchenberatungsstellen und andere Institutionen frühzeitig intervenieren?

Ist jeder Frauenmord ein Femizid?

Die erste und bis heute gültige grundlegendste Femizid-Definition geht auf Diana E. H. Russel zurück. Femizide gelten demnach als Tötungen von Frauen durch Männer, weil sie Frauen sind. Anders gesagt: Bei Femiziden wird angenommen, dass patriarchale Verhaltensweisen und Denkmuster des Täters für die Tat ausschlaggebend sind. Auch junge Frauen bzw. Mädchen können Opfer von Femiziden sein.

Nicht jeder Frauenmord ist automatisch ein Femizid. Ein Großteil der Frauenmorde in Österreich wird aber als Femizid eingestuft. In einer Studie des österreichischen Instituts für Konfliktforschung wurden Frauenmorde in Österreich aus den Jahren 2010 bis 2020 genau untersucht. Betrachtet wurden dabei 137 Frauen- und Mädchenmorde. Die Forscherinnen klassifizierten nach sorgfältigen Analysen 100 dieser 137 Frauenmorde, also 73 %, auch als Femizide.

Frühere Gewalt des Täters gegenüber Frauen

Wie aber stellen Expert*innen fest, ob es sich bei einem konkreten Frauenmord wahrscheinlich um einen Femizid handelt? Wichtig ist eine sorgfältige Analyse der Täter-Opfer-Beziehung sowie des generellen (Gewalt-)Verhaltens des Täters gegenüber Frauen. Häufig zeigt sich, dass die Täter ein überholtes, gefährliches Verständnis von Geschlechterrollen haben. Ein Verständnis, das an der Unterdrückung von Frauen durch Männer festhält. Beispielsweise meinen manche der Täter, sie hätten einen Besitzanspruch auf eine Frau. Häufig geht es dabei um ihre Partnerin oder Ex-Partnerin. Diese Männer glauben, sie haben das Recht, Frauen zu kontrollieren. Diese Männer wollen die Frauen gegen ihren Willen zu Dingen zwingen oder ihnen Dinge verbieten. Handeln die Frauen aber selbstbestimmt, reagieren diese Männer mit Gewalt. Sie ‚bestrafen‘ die Frau. Kommt es wegen diesen männlichen Besitzansprüchen und Bestrafungswünschen an Frauen bis zu einem Mord an einer Frau, handelt es sich um einen Femizid.

Frühzeitig Hilfe suchen, Alarmsignale erkennen

Es muss klar sein, dass Männer nicht über Frauen bestimmen dürfen in einer gleichberechtigten Gesellschaft. Frauen sollen selbst bestimmen. Frauen mit Gewalt zu bestrafen, wenn sie nach ihren eigenen Vorstellungen leben, ist inakzeptabel – und leider oft auch tödlich. Männer haben kein Recht, Frauen zu kontrollieren.

Sehr oft sind Täter von Femiziden schon im Vorfeld gewalttätig gegenüber dem Opfer, ihrer Kinder oder anderen Frauen. Auch diese Gewalt ist schon Teil des Problems. Laut einer Studie des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) waren Männer, die Femizide begehen, häufig schon vor dem Femizid aufgrund von Gewaltdelikten polizeibekannt. Wir müssen also genau hinschauen, um möglichst bald einschreiten zu können. Damit weitere Gewalt verhindert werden kann. Damit vielleicht sogar ein Femizid verhindert werden kann.

High Risk Management ist in der Beratung von gewaltbetroffenen Frauen ein wichtiges Instrument, um schwere Gewalt und potenziell tödliche Angriffe frühzeitig zu erkennen und abzuwehren. Diese Art der systematischen Risikoeinschätzung unterstützt Berater*innen von Beratungsstellen und Gewaltschutzzentren dabei, die Schwere und Dringlichkeit der Bedrohung zu bewerten. Dadurch können gegebenenfalls entsprechende Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet werden. Diese Maßnahmen werden auf die Bedürfnisse der Betroffenen abgestimmt. Mögliche Notfallpläne sind z. B. Maßnahmen zur sofortigen Erreichbarkeit von sicherem Wohnraum, das Einrichten von Fluchtrouten und/oder das Vernetzen mit Polizei und anderen Schutzinstitutionen.

Die Autonomen Österreichischen Frauenhäuser (AÖF) halten alle bekannten Femizide und Fälle schwerer Gewalt gegen Frauen in Österreich fest. Die aktuellen Zahlen findest du auf der AÖF-Website.